Dienstag, 5. März 2019

Warum ich gegen das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE) bin

Vor kurzem wurde mir von einer BGE-Aktivistin die lapidare Frage gestellt: Warum bist Du gegen das BGE?
Nun, ich versuche, zu diesem sehr komplexen Thema eine möglichst kurze Antwort zu geben:

Warum ich gegen das BGE bin und mich dennoch engagiere

Grundlegende Weltanschauung

Nach langer Beschäftigung mit dem BGE lautet meine derzeitige Meinung: Ich bin dagegen, weil die Idee meinem Naturell und meinem Wesen grundlegend widerspricht. Ich glaube leidenschaftlich an eine Solidargemeinschaft: Alle tragen nach Möglichkeit zum Gemeinwohl bei. Wer nicht oder nur eingeschränkt beitragen kann, wird von der Gemeinschaft nach Möglichkeit unterstützt. Die, die können, unterstützen die, die nicht können. In einer sehr humanistischen Gesellschaft unterstützt man sogar die, die könnten, aber nicht wollen, man lässt sie nicht verrecken.
Das BGE ist die Antithese zu dieser Weltanschauung: Beim BGE unterstützen die Nettozahler alle Nettoempfänger bedingungslos, selbst wenn diese nichts zum Gemeinwohl beitragen wollen und es sogar schädigen.
Ganz persönlich gesagt: Ich zahle sehr gerne Steuern, damit wir diesen starken Sozialstaat haben. Jeder soll nach Bedarf unterstützt werden.
Ich möchte aber nicht auch noch jenen ein Einkommen zahlen müssen, die stehlen, betrügen, oder bewusst den Sozialstaat ausnützen, die sich nicht um ihre Kinder kümmern, die den anderen Elternteil sitzen lassen und sich ein bequemes Leben machen.

Sorge um ein Absinken der Produktivität und somit der Lebensqualität

Ich reise sehr viel, arbeite auch sehr viel in Ländern mit deutlich niedrigerem Lebensstandard als in Österreich. Ich bin davon überzeugt, dass wir deswegen so eine reiche Gesellschaft sind, weil bei uns mehr Leute gewissenhaft und ausgiebig arbeiten und so für eine hohe Wertschöpfung sorgen. Dadurch können wir uns auch Sozialleistungen leisten, die jedem ein menschenwürdiges Dasein ermöglichen.
Keine Frage: Es gibt viel zu verbessern. Aber verglichen mit vielen Ländern auf diesem Planeten ist es bei uns sehr gut.
Viele, die gefragt werden: „Würdest Du weiterarbeiten mit einem BGE?“ antworten: „Ja, aber weniger.“ Nun, wenn viele weniger arbeiten, ist das für mich gleichbedeutend mit einem Absinken der Produktivität und somit unseres Reichtums.
Viele BGE-Finanzierungsmodelle gehen von Einsparungen im Sozialbereich aus. Meine Sorge ist, dass dadurch die Sozialleistungen leiden. Für mich sehr bedenklich wäre, ohne Bedarfsprüfung gießkannenmäßig einen Betrag an alle auszuschütten. Der Bettlägerige bekommt dann gleich viel wie der junge, kräftige. Bedarfsprüfungen werden aber von BGE-Befürwortern eher abgelehnt.
Manche Modelle wollen beides: keine Bedarfsprüfung, aber doch sollen Bedürftigere Mehr bekommen. Abgesehen davon, wie das ohne Bedarfsprüfung laufen soll, kann ich mir die Finanzierung nicht vorstellen.

Finanzierung

Bisher habe ich noch kein überzeugendes Finanzierungskonzept gefunden. Ich habe sogar das Gefühl, dass Geld verteilt wird, das entweder gar nicht da ist oder in den Händern von Leuten, die es nicht hergeben wollen. Eine Umdrehung eines Grundprinzips: Indem ich das Fell verteile, wird sich der Bär selbst erlegen, nach dem Motto: Das BGE wird bewirken, dass sich die Reichen daran beteiligen. Ich frage mich hingegen: Warum sollten sie? Sie könnten sich ja schon jetzt am Sozialstaat beteiligen und dennoch ist es in diesen Kreisen üblich, „steuerschonend“ unsolidarisch Lücken und Oasen zu suchen. Übrigens ist das in allen Kreisen so. "Brauchens a Rechnung" ist die Steueroase der kleinen Leute.


Warum engagiere ich mich dann?

Sollte ein BGE nicht zu verhindern sein (womit ich mittel- bis langfristig rechne), dann möchte ich wenigstens eines, wo sich die oberen Einkommen an der Finanzierung entsprechend beteiligen. Es widerstrebt meinem Gerechtigkeitsempfinden und auch meiner Einstellung zu einer Solidargemeinschaft, dass untere Einkommen überproportional beitragen, die oberen Einkommen nichts oder nur einen sehr geringen Prozentsatz. leider machen einige BGE-Finanzierungsmodelle genau das:  das zynischste Modell scheint mir ein konsumsteuerfinanziertes: Damit sind die oberen Einkommen quasi befreit und haben zusätzlich die letzte Bastion der Vergemeinschaftlichung erreicht: Die Gehälter brauchen nicht mehr von den Unternehmen getragen werden, sondern die Gemeinschaft trägt sie.

Das Horrorszenario:

Ein konsumsteuerfinanziertes Modell wird eingeführt, zahlreiche Sozialleistungen im Gegenzug gestrichen. Da Produkte und Dienstleistungen massiv teurer werden, bricht der Tourismus ein. Gleichzeitig muss für viele Jobs mehr bezahlt werden: Die Leute sind nicht mehr bereit, im Niedriglohnsektor unangenehme Jobs zu machen (ein wichtiges Pro-Argument der Befürworter übrigens, leider sehr kurz gedacht). Man muss sie mit höheren Löhnen locken. Dadurch werden viele Produkte und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs teurer, worunter die BGE-Nettoempfänger am meisten leiden. Die Teuerung frisst das BGE auf. Die unteren Einkommensschichten finden sich mit weniger Sozialleistungen in einer prekären Situation wieder und haben einen höheren Arbeitszwang als vorher.


Meine Lösung

Artikel zum BGE beginnen mit einer Analyse unseres Sozialstaates und unserer Gesellschaft. Allerdings stufen die Befürworter unser Sozialsystem und unsere Arbeitswelt  als grottenschlecht ein. Sie bezeichnen jede Arbeit gerne als "Sklaventum" und jeden Gang zum Sozialamt prinzipiell als erniedrigend und unzumutbar. Ergänzt wird das mit Kapitalismuskritik und einer allgemeinen Kritik an "den reichen".
Danach präsentieren sie als einzuge Lösung das BGE.
Ich stimme mit vielen  Punkten der Analysen und Kritiken mit den BGE-Befürwortern überein. Ich habe nur eine andere Lösung:
Warum beheben wir nicht die negativen Erscheinungen unseres Sozialstaats?
Bedarfsprüfer müssen nicht andere erniedrigen.
Führen wir längst überfällige Steuern ein.
Stopfen wir Steuerlöcher. Schließen wir Steueroasen.
Hören wir auf, nach oben zu verteilen, verteilen wir mehr von oben nach unten.
Dann schauen wir weiter. Dann wird nämlich so viel Geld in den Sozialkassen sein, dass niemand mehr nach einem BGE ruft.
Und vielleicht einmal kurz dankbar sein: Unsere Arbeitnehmerschutzgesetze zählen zu den besten weltweit.