Vor einigen Jahren habe
ich Beiträge im Buch „Geschenkökonomie“ geschrieben.
(Siehe http://www.schenkökonomie.org/buch/) Das Buch ist eine Artikelsammlung.
In der Zeitschrift „Omnia“
(https://omnia-magazin.net/) habe ich 2017
einen kritischen Artikel zur Geschenkökonomie geschrieben, in dem ich auch ein Experiment beschreibe:
Sehr häufig kommt es bei Diskussionen über Geschenkökonomie zur
Abrechnung mit den negativen Begleiterscheinungen des Neoliberalismus. Es wird
so dargestellt: „Schenkökonomie = gut“ „Geldökonomie
= schlecht.“ Es wird die gesamte Gesellschaftskritik in die Geldökonomie
gesteckt und gehofft, sämtliche humanistischen Werte des Abendlandes würden durch
die Geschenkökonomie gesellschaftliche Realität, wenn sie nur umgesetzt wäre.
Quasi die „unsichtbare Hand“ der Geschenkökonomie. In das gleiche Horn blasen
die Geldkritiker. Wenn wir nur das böse Geld abschaffen, dann ist alles gut.
Wie wenn das Geld an sich böse wäre.
Wie wenn das Geld an sich böse wäre.
Das Experiment
Ich habe die Auflösung einer Wohnung zum Anlass genommen,
klassische Geldökonomie mit Geschenkökonomie zu vergleichen. Alles musste raus.
Ich veranstaltete Flohmarkt-Tage („Geld-Tage“) und Schenktage.
Der Vergleich war überraschend und ernüchternd. Zwei
Unterschiede:
Am Geldtag eine dreistellige Summe eingenommen, am
Geschenktag nur Kosten gehabt.
Ein Phänomen war nur am Geldtag möglich: Da gab es sogar
Leute, die sagten: „Das ist zu wenig, was du da verlangst“ und gaben mir mehr.
Aber was das Verhalten der Leute betrifft, konnte ich zu
meiner Überraschung keinen Unterschied feststellen.
In beiden Fällen beobachtete ich die gleichen zutiefst
menschlichen Phänomene, zum Beispiel:
Die Reichen werden reicher: Als Termin habe ich jeweils einen
Sonntag angegeben. Vorher wurde ich von Leuten kontaktiert, die behaupteten, am
Sonntag leider, leider keine Zeit zu haben, aber so gerne/auf jeden Fall/
unbedingt etwas brauchen … kurz, sie überredeten mich zu einem früheren Termin.
Diese Leute haben sich als die Profis entpuppt, die Händler, die sich die
besten Stücke sichern und somit den größten Anteil am Kuchen.
Diese Profis kamen in beiden Fällen – egal ob Flohmarkt oder
Schenktag – früher als die anderen, mit den gleichen Ausreden.
Sie waren erkennbar an der gepflegten Kleidung, an den teuren
Schuhen, an den Statussymbolen (Goldketterl, Uhr,…) am sicheren Rundumblick,
der sofort bei den wertvollen Teilen hängenbleibt. Sie waren auch erkennbar am
harten Verhandeln. Sie zeigten keinerlei Freude oder Dankbarkeit, keine
Wertschätzung gegenüber den Gegenständen. Ein paar, die versprochen hatten, sie
nehmen sicher etwas, verschwanden wieder wortlos, weil offensichtlich nix da
war, das ihnen wertvoll genug war. Kein Wort der Entschuldigung, obwohl ich
extra angereist war.
Die sind die, die auch in Schenkökonomien mehr haben werden.
„Mehr“ im Sinne von „Mehr vom Wertvollen“. Denn sie wissen, wie man sich die
beste Beute sichert.
In beiden Fällen gab es auch die, die einfach zum Stehlen
kamen (was beim Schenktag sehr schräg war: Stellt Euch vor, Ihr seid in einer
Wohnung, wo alles geschenkt wird. Ihr schaut Euch verstohlen um, und in einem
Moment, wo Ihr Euch unbeobachtet wähnt, steckt Ihr unauffällig etwas ein und
verlasst schnell die Wohnung …).
In beiden Fällen gab es aber auch Leute, die sehr dankbar,
wertschätzend waren. Sie wussten es zu schätzen, was sie da bekamen.
Meine persönlichen Schlussfolgerungen aus diesem Experiment:
Es ist schön, die Freude des Beschenkten wie auch der Käufer mitzuerleben. Es
war aber auch sehr schön, am Ende eines langen Flohmarkttages das Geld zu
zählen, das ich eingenommen hatte. Es ist schön etwas zu schenken, beschenkt zu
werden - und es ist schön, Geld auf die
Hand zu bekommen.
Das führt mich zu folgenden Schlussfolgerungen:
Es ist eine Illusion zu glauben, mit einem anderen System werden die Menschen besser.
Ich glaube, dass jede große Idee ursprünglich die
Weltrettung als Ziel hatte. Egal, ob Kommunismus, Kapitalismus, Neoliberalismus,
Bedingungsloses Grundeinkommen … : Viele der Entwerfer dieser Ideen wollten die
Welt zu einem besseren Ort machen.
Leider wurden sämtliche Ideen früher oder später zu
Diktaturen oder Oligarchien pervertiert. So auch der Neoliberalismus und der „Freie
Markt“. In den „Demokratien“ werden zur Zeit die Rechte des Volkes zum Vorteil
der Herrscher sukzessive eingeschränkt.
Die „weltverbesserische“ Tendenz beobachte ich auch bei den
Geschenkökonomisten (die sehr verwandt sind, so scheint‘s, mit den Vertreter/innen
des Bedingungslosen Grundeinkommens). Sie glauben, wenn wir nur das Geld
abschaffen und fortan einander beschenken würden, dann würde alles Negative aus
unserer Welt verschwinden.
Das glaube ich nicht. Ich habe Gier und Neid, Stehlen, übers-Ohr-Hauen
usw. sowohl bei den Geschenktagen erlebt, als auch bei den Flohmarkttagen. Und
auch das Gegenteil, Dankbarkeit, Freude, Großzügigkeit in beiden Fällen.
Es sind ja die gleichen Typen von Menschen gekommen.
Solange Gier, Neid und Machtstreben so stark verbreitet
sind, wird auch die Geschenkökonomie bei der Weltverbesserung scheitern.
Umgekehrt könnten wir wahrscheinlich auch gut mit der Geldökonomie leben,
sobald diese Phänomene in den Hintergrund treten.
Vielleicht ist es umgekehrt: Wenn sich die Menschen ändern,
wenn Gier und Neid weniger wird, wenn Machtgeilheit verschwindet, dann wird
diese Welt eine bessere sein. Dann wird es auch kein Problem sein, Geld zu
verwenden, um die Geschenkökonomie zu erleichtern.
Ein Test
Den meisten Menschen fällt es unglaublich schwer, die Idee
zu begreifen, Geld zinsenfrei herzuleihen: Geld, das ich sowieso nicht brauche,
weil ich mehr habe, als ich brauche und es daher jemandem borgen kann. Die
Frage folgt sofort: Was habe ich davon, Geld ohne Zinsen einfach jemandem zu
borgen?
Es ist ein guter Selbsttest: Wenn Du diese Frage stellst,
bist Du noch nicht reif für die Schenkökonomie.
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